Tuesday, July 19, 2011

Call for Papers (Universität Wien)

Paternalismus in der (sprachbezogenen) Erwachsenenbildung Erkundungen eines migrationsgesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisses

Ort: Universität Wien
Termin: 19. & 20. Jänner 2012
Veranstaltet von; Autonomes Zentrum von und für Migrantinnen MAIZ, Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck, Institut für Pädagogik der Universität Oldenburg, Fachbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Wien
Kontakt: jens.doell@univie.ac.at

Call for Papers:

Mit dem Ausdruck Paternalismus wird auf eine gesellschaftliche Figuration aufmerksam gemacht, die das Sprechen und Handeln in der Migrationsgesellschaft prägt. Die paternalistische Figuration unterscheidet zwischen jenen, denen Hilfe, Zuwendung, Unterricht und Unterstützung zukommen soll, da bedürftig, („die Behandelten"), und denen, die Hilfe und Unterstützung zu geben in der Lage seien („die Behandelnden"). Diese auch im amtlich deutschsprachigen Raum vorherrschende Konstellation muss als ein zentraler Mechanismus verstanden werden, der die sozial wirksame Differenz zwischen „mit und ohne Migrationshintergrund" im Rahmen des allgemeinen Integrationsverständnisses hervorbringt. Vermeintlich auf das Wohl „der Migrant/innen" zielend, wirkt Paternalismus als Einschränkung von Selbstbestimmung und -verfügung. Die Orientierung am Wohl „der Migrant/innen" wird damit zum Medium, in dem der Unselbständigkeit und der Entmündigung Vorschub geleistet wird, oft verschränkt mit Ansätzen der Emanzipation, des Empowerment bzw. der Ermächtigung. Da, wo dieses Handlungsmuster sich institutionell verfestigt, wird die paternalistische Figuration zu einem Herrschaftsverhältnis, das Bevormundungen, Weisungen, Belehrungen wie auch Ermöglichungen ohne Alternativen, Hilfestellungen und unidirektionale Unterstützung umfasst. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, staatliche und nicht-staatliche Einrichtungen darauf hin zu befragen, inwiefern sie in Bezug auf „Migrant/innen" implizit auf patriarchale Vorstellungen (Paternalismus) zurückgreifen und in dieser Logik sich zu verstehen als „Beschützer" und als legitime Wächter über Regeln und Handlungsweisen, über das, was gut für „die Behandelten" ist.


In den amtlich deutschsprachigen Migrationsgesellschaften stellen sich Zugehörigkeitsordnungen gegenwärtig in besonderer Weise als Sprach(en)-Ordnungen dar, wobei im dominanten Diskurs ein weitgehender Konsens darin zu herrschen scheint, dass insbesondere „Migrant/innen" („die Behandelten") rasch und - vor allem - mit der Hilfe von „Nicht-Migrant/innen" („die Behandelnden") die deutsche Sprache erlernen sollten.

Die paternalistische Figur der sprachbezogenen Erwachsenenbildung wurde mit dem Projekt „Deutsch als Zweitsprache im Rahmen kritischer Bildungsarbeit" der Migrantinnenorganisation maiz (Linz) untersucht, das im Rahmen der geplanten Tagung vorgestellt werden wird.
Das die Migrationsgesellschaft kennzeichnende paternalistische Herrschaftsverhältnis soll im Rahmen der Tagung aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven beleuchtet und mit damit verbundenen Fragen untersucht werden. Von besonderem Interesse sind hierbei Beiträge, unter anderem von Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die im Feld DaZ tätig
sind, die sich konstruktiv (selbst-)kritisch mit praktischen Paradigmen, Perspektiven und Ansätzen in der Migrationsgesellschaft im Hinblick auf ihre Verstrickung in die paternalistische Figuration „Behandelte und Behandelnde" auseinandersetzen. Auch begrifflich-theoretische Beiträge sind sehr willkommen, ebenso wie Beiträge, die die historische Dimension des Paternalismus im Spannungsfeld von Kolonialismus - (supra-)nationalstaatlich gesteuerte Arbeits- und Armuts-Migration oder deren Verhinderung im Kontext der „Festung Europa" - Globalisierung ausloten. Über Beiträge aus anderen nationalsprachlichen Kontexten würden wir uns ebenso freuen.


Bei den Beiträgen werden zwei Typen unterschieden:

a) Vorträge (20 Minuten)
b) Workshops (60 Minuten)

Folgende Fragen werden die Gesamtdiskussion auf der Tagung anleiten und sollten in den Beiträgen eine Rolle spielen:


a) Aus welchen disziplinären, historischen und theoretischen Perspektiven heraus ist der Paternalismus wie zu verstehen?
b) Welche Typen und Formen des paternalistischen Herrschaftsverhältnisses in der Migrationsgesellschaft können unterschieden werden?
c) Welche Spielarten des Bildes des und der „(hilfs-)bedürftigen Migrant/in" sind gesellschaftlich wirksam?
d) Welche paternalistischen Logiken kennzeichnen möglicherweise Institutionen? Wie können diese Logiken verändert werden?
e) In welchem Verhältnis stehen der pädagogische, der linguistische und der politische Paternalismus zueinander?
f) Gibt es Formen legitimen Paternalismus?
g) Gibt es einen Zwang des Paternalismus, Formen des unumgänglichen Paternalismus?
h) Gibt es Alternativen und gegenläufige Praxen zu paternalistischen Figurationen in migrationsgesellschaftlichen Kontexten?
i) Was können Institutionen zu einer Veränderung paternalistischer Verhältnisse beitragen?
j) Welche Handlungsmöglichkeiten haben AdressatInnen paternalistisch handelnder Institutionen paternalistische Diskurse zu thematisieren, zu irritieren oder zu verändern?

Vorschläge für Vorträge und Workshops sollten mit einem kurzen Abstract bis zum 30. September 2011 eingereicht werden: 
jens.doell@univie.ac.at

No comments:

Post a Comment